
Sollten wir die SPÖ einfach vergessen?
Eigentlich wollte ich schon länger etwas über die SPÖ
schreiben. Aber die ersten Entwürfe zu diesem Text habe ich wieder verworfen.
Mir ist noch immer nicht ganz klar, welche Conclusio man aus dem aktuellen
Status einer einst stolzen Partei ziehen soll, die nun alles daran setzt, sich
in Richtung Einstelligkeit zu bewegen. Darum probier ich das mit der Conclusio
diesmal erst gar nicht. Das hier wird einfach eine Bestandsaufnahme mit ein
paar Gedanken, was die aktuelle Misere denn für Österreich bedeuten könnte.
Die Probleme der
SPÖ
Der ursprüngliche Titel für diesen Text war "Vergesst die
SPÖ". Der Titel kommt daher, dass nach der Wahl viele Leitartikel stark danach
geklungen haben, als bräuchte es unbedingt eine starke SPÖ, wenn man Sebastian
Kurz je wieder aus dem Kanzleramt vertreiben will. Das ist dieser uralte Reflex
in Österreich: Etwas ist entweder schwarz oder rot, anders geht es gar nicht.
Als halbwegs jungen Menschen, der noch nie die SPÖ gewählt hat (Heinz Fischer
zählt nicht) und dem auch kein guter Grund dazu einfällt, nervt mich dieser
Reflex natürlich. Warum muss es gerade die SPÖ sein, die den Machtanspruch
stellt? Was spricht eigentlich noch für sie?
Wenn man sich z. B. Pamela Rendi-Wagners Auftritt im
ORF-Report ansieht, merkt man: Sie weiß es eigentlich auch nicht. Und das ist
vielleicht nicht mal das größte Problem, das ihre Partei hat. Die Wähler wissen
nicht, wofür die SPÖ steht, ihre Politiker nicht, wofür sie stehen soll und die
politischen Beobachter wissen nicht, wer diese Fragen denn bitte noch
beantworten könnte. Die Wahl ist im Wesentlichen die zwischen "Junge
Hardcore-Sozialistin", "Ex-Bundesgeschäftsführer mit Beratervertrag" und
"Bürgermeister von Traiskirchen". Wer das schwach findet, der soll sich die
Alternative verdeutlichen: Politiker aus der Faymann-Zeit.
Warum eigentlich
nicht ohne sie?
Egal also, ob man sich Inhalte oder Personen ansieht - es
drängt sich nicht gerade der Eindruck auf, dass in nächster Zeit irgendwie mit
der SPÖ zu rechnen wäre. Viele Rote fordern eine "Öffnung" der Partei mit
offenen Wahlen der wichtigsten Positionen, und diese Vorschläge sind generell
zu begrüßen - aber wer steht denn bereit, um sich mit professionellen
Politikern und Kommunikatoren wie Sebastian Kurz und Norbert Hofer zu messen?
Meine ursprüngliche These war, dass man die SPÖ deshalb
einfach vergessen solle. Sie werden es nicht mehr packen. Man sieht in
Frankreich, wie das funktionieren kann. Die dortige Partie Socialiste, die bis
vor Macron noch mit Francois Hollande den Präsidenten stellte, ist dort nun
eine Kleinpartei, die um ihre Existenzberechtigung kämpft. Auch die deutsche
SPD mit einer ähnlich langen Tradition wurde mittlerweile von den Grünen
überholt und weiß nicht genau, was sie in der Politik eigentlich noch fordern
will. Warum also kein Österreich ohne SPÖ?
Wo die SPÖ noch
Berechtigung hätte
Und dann hab ich den Text verworfen und hab noch ein
bisschen darüber nachgedacht. Eigentlich gäbe es ja noch Platz für die
Sozialdemokratie. Zwar sagen dann viele intelligente Menschen zurecht, dass die
Argumente, die es früher für sie gab, heute nicht mehr zählen - z. B. der
Wegfall der "Arbeiterklasse" in eine fragmentierte Arbeitnehmergesellschaft mit
traditionellen Hacklern, Angestellten, Freelancern, Teilzeit-Modellen und neuen
Selbständigen. Aber mir fallen trotzdem einige Zukunftsthemen ein, bei denen
die Sozialdemokratie noch eine Rolle spielen könnte.
Vieles davon machen ironischerweise die Demokraten in den
USA richtig, die gerade nach links rücken und sonst aus europäisch-linker Perspektive
oft als "neoliberal" gelten. Elizabeth Warren erklärt das Konzept von
Vermögensbesteuerung wesentlich besser, als die europäischen Linken das tun.
Andrew Yang fordert ein Grundeinkommen, das es brauche, um die fatalen
Auswirkungen der drohenden Automatisierung zu verhindern. Bernie Sanders
spricht an, wie pervers es ist, wenn Menschen in einem Staat Steuern zahlen und
teils mehrere Jobs haben, aber gleichzeitig ein Gesundheitssystem haben, das
ihr Überleben nicht sichert.
Diese Themen machen vor nationalen Grenzen nicht Halt.
Auch wir müssen unser Gesundheitssystem endlich in den Griff kriegen - wobei
die SPÖ da wirklich nicht den besten Track Record hat. Auch wir müssen uns mit
Themen wie Künstlicher Intelligenz und der Zukunft der Arbeit beschäftigen. Ich
glaube, es wird irgendwann auf eine weitere Arbeitszeitverkürzung und flexible
Modelle hinauslaufen - aber wer spricht denn momentan davon? Da wäre überall
Platz für eine Sozialdemokratie, die im 21. Jahrhundert angekommen ist und
nicht Politik der 80er-Jahre macht. (Ohne Leute, die danach geboren wurden.)
Soll man sie
vergessen? Noch nicht ganz.
Ich fordere also nun doch nicht, wie eigentlich geplant,
die SPÖ zu vergessen. Zumindest nicht dauerhaft. In ihrer momentanen Form
sollte man ihr zwar wirklich keinen Respekt schenken und nicht so tun, als sei
irgendwas an der aktuellen inhaltlichen und kommunikativen Performance auch nur
einigermaßen in Ordnung. Wir sollten auch nicht so tun, als hätte sie momentan
große Relevanz - sie wird wenn, dann nur als Steigbügelhalter für Kurz in die
Regierung kommen, um mal wieder kein eigenes Thema durchzusetzen und am Ende
noch mehr zu verlieren. Aber wir können sie beobachten und hoffen, dass es
irgendwann besser wird.
Vielleicht kommt ja noch die große Demokratisierung der
Partei. Vielleicht kommt ja noch die Einsicht, dass Faymann-Apologeten nicht
der Weg in die Zukunft sind. Vielleicht schafft es die SPÖ ja noch, zu einer
modernen Partei zu werden - mit jungen Politikern, modernen Themen, einer
klaren inhaltlichen Linie und einer Strategie, wo sie das Land hinbringen will.
Darauf spekulieren momentan viele. Mir fehlt allerdings der Glaube.
Rein demokratiepolitisch glaube ich, dass eine
moderat-linke Partei (im Sinne von "nicht radikal") einem Land guttut. Aber ich
glaube auch, dass die Grünen das übernehmen können, wenn die SPÖ so weitermacht
wie jetzt. Es wird gespannt, zu beobachten, ob sich eine derartig am Boden
liegende Partei aufrappeln und verändern kann. Wenn nicht, dann werden wir sie
früher oder später sowieso vergessen.